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Warum Eltern Ratgeber lesen

Eine soziologische Studie

Erschienen am 04.10.2018
34,95 €
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593509808
Sprache: Deutsch
Umfang: 367
Format (T/L/B): 21.0 x 14.0 cm

Beschreibung

Elternratgeber sind ein beliebtes Buchgenre. Diese Pionierstudie zeigt, wie eng deren Entwicklung seit der Epoche der Aufklärung mit der modernen Kleinfamilie verwoben ist. Unter Rückgriff auf Denkfiguren der Kritischen Theorie lotet der Autor das Spannungsfeld von lebensweltlichem Erziehungshandeln und den Wissensbeständen von Erziehungsexperten aus. Er arbeitet heraus, wie Ratgeber dazu eingesetzt werden, sich von der Prägung durch die eigenen Eltern zu distanzieren und so die Familienerziehung sensibler und kindzentrierter zu gestalten.

Autorenportrait

Christian Zeller wurde an der Universität Frankfurt am Main promoviert, er arbeitet als Lehrer in München.

Leseprobe

Vorwort In den letzten Jahrzehnten hat sich die empirische Sozialforschung verstärkt den Umstand zunutze gemacht, dass heute für die verschiedensten Herausforderungen des individuellen Lebensvollzugs Beratungsangebote vorliegen, die entweder die Gestalt persönlicher Gespräche mit geschultem Fachpersonal oder die eines Ratgebers in Buchform besitzen; aus den Gehalten dieser von Experten unterbreiteten Empfehlungen hofft man, Auskunft wenn nicht über das tatsächliche Verhalten der Ratsuchenden, so doch über gesellschaftlich vorherrschende Erwartungsmuster zu finden. Die vorliegende Studie, der eine Dissertation am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt am Main zugrunde liegt, geht über solche Versuche einer soziologischen Indienstnahme der grassierenden Ratgeberliteratur weit hinaus; ihr Autor, Christian Zeller, ist sich der mannigfaltigen Probleme viel zu bewusst, die sich aus dem Vorsatz ergeben, derartiges Schrifttum einfach und unvermittelt als Quelle soziologischer Zeitdiagnosen zu benutzen. Zwar interessiert ihn, was sich aus dem besonderen Genre der pädagogischen Ratgeberliteratur darüber in Erfahrung bringen lässt, von welchen Spannungen, Krisen und Beunruhigungen heute der elterliche Umgang mit ihren Kindern geprägt ist; aber zu diesem Zweck wertet er nicht einfach inhaltsanalytisch die entsprechenden Schriften aus, sondern untersucht im empirischen Kern seiner Studie skrupulös, wie einige nach Rat suchende Mütter die ihnen in Buchform dargebotenen Empfehlungen zur Kindererziehung verarbeiten und in die Praxis umzusetzen versuchen. Aus diesem Unternehmen ist am Ende eine sehr komplexe Studie geworden, die in einem Zug sowohl eine historische Rekonstruktion des beispiellosen Aufstiegs von Elternratgebern, eine Unterrichtung über die verwendete Methode der Objektiven Hermeneutik und schließlich eine Analyse des zeitgenössischen Umgangs mit den schriftlichen Erziehungshilfen liefert; nicht übertrieben dürfte daher die Behauptung sein, dass uns hier exemplarisch vorgeführt wird, welche fruchtbaren, gewinnbringenden Einsichten die Soziologie dem Studium der wachsenden Flut an Ratgeberliteratur abringen kann, wenn nur klug und umsichtig genug damit umgegangen wird. In der Einleitung zu seiner Studie umreißt Christian Zeller zunächst in knapper, aber äußerst informativer Form, in wie vielen Lebensbereichen der Rekurs auf Expertenrat heute zur Normalität geworden ist, um dann auf die Vielzahl unterschiedlichster Elternratgeber allein auf dem deutschsprachigen Buchmarkt einzugehen. Auf dieser Basis formuliert er das Ziel seiner Untersuchung, der es im Kern um die Frage geht, woraus sich in unserer Gegenwart das Bedürfnis und die Bereitschaft von Eltern speisen, in ihrem erzieherischen Verhalten auf Expertenrat zurückzugreifen. Dabei macht er sogleich deutlich, dass er seine Antwort vor dem Hintergrund des historischen Siegeszugs der Idee der "Förderung" von Kindern suchen möchte, also einer Vorstellung von Erziehung, der es um die Entfaltung der "Potentiale des Nachwuchses zum Zweck des allgemeinen und individuellen Wohls" zu tun ist. Ist damit umrissen, dass untersucht werden soll, wie Eltern dieses Erziehungsziel in ihren eigenen Deutungen mit der Verwendung von Erziehungsratgebern verknüpfen, so folgt anschließend ein kurzer Überblick zur bisherigen Forschung zum Thema: Die einschlägige Literatur hat sich bisher, so die überzeugende Diagnose, vornehmlich auf die semantische oder diskursive Analyse der sich in Elternratgebern manifestierenden, zumeist wissenschaftlich fundierten Erziehungslehren konzentriert; dem steht nur ein kleiner Forschungsstrang gegenüber, der sich mit der innerfamilialen Rezeption von Elternratgebern befasst, um zu erkunden, mit welchen Absichten und Selbstdeutungen solche Schriften zu Rate gezogen werden. Beide Forschungsstränge, die Inhaltsanalyse und die Rezeptionsforschung, möchte Christian Zeller nun in seiner Untersuchung mit Hilfe einer sinnrekonstruktiven Meth

Inhalt

Inhalt Vorwort von Axel Honneth und Ferdinand Sutterlüty 9 Danksagung 21 I. Einleitung 23 II. Methodologie, Methode, Heuristik 31 1. Objektive Hermeneutik und Sequenzanalyse 31 1.1 Sinn, Struktur, Objektivität 32 1.2 Sequenzanalyse 36 1.3 Fallstruktur, Lebenspraxis, Krise und Routine 39 2. Ratgeberwelten und ihre fallspezifische Rezeption 42 2.1 Sozialisation und Erziehung als Krise 42 2.2 Fragestellung und Aufbau der Untersuchung 43 III. Zur Verbreitung, Pragmatik und Genese von Erziehungsratgebern 45 1. Die Masse macht's: Verbreitung von Elternratgebern 45 1.1 Gesamtgenre 45 1.2 Ratgeber zur Kindesförderung 48 2. Eltern und ihre Lektüren: Zur Pragmatik von Erziehungsratgebern 49 2.1 Was heißt "Rat geben"? 50 2.1.1 Zur Pragmatik von Ratschlägen 50 2.1.2 Ge- und Misslingensbedingungen von Ratschlägen 53 2.2 Rat, Beratung, Profession 55 2.2.1 Zum Konzept der Profession 55 2.2.2 Ratschlag und Profession 57 2.2.3 Profession und Beratung 58 2.3 Ratgeber in Buchform / Elternratgeber 60 2.3.1 Zur Strukturlogik buchförmig vermittelter Ratschläge 61 2.3.2 Eltern- und Erziehungsrat 63 2.4 Der Begriff der Kindesförderung 65 3. Rousseau & Co.: Die Herausbildung moderner Elternratgeber 68 3.1 Elternrat zwischen Tradition und Wissenschaft 69 3.1.1 Vormoderner Elternrat 69 3.1.2 Locke, Rousseau und die Anfänge verwissenschaftlichten Elternrats 76 3.1.3 Die pädagogisierte Öffentlichkeit und ihre Lektüren 79 3.1.4 Die Literatur zur "physischen Erziehung" 80 3.1.5 Der Philanthropismus und die Anfänge methodisierter Pädagogik 83 3.1.6 Die Wissenschaft vom Kind und die Beobachtung seiner Regungen 86 3.2 Familialer Wandel und Elternratgeber 88 3.2.1 Elternrat im Epochenbruch 88 3.2.2 Autonomisierung der Familie 89 3.2.3 Die Familie als Entscheidungszusammenhang 92 3.2.4 Die Geburt der Förderung aus dem Geiste der Perfektibilität 93 3.2.5 Erziehungsratgeber, professionelle Instanzen, Kindesförderung 99 3.2.6 Wissenschaftliche Erkenntnisse als normative Maßstäbe von Erziehung 106 3.3 Expertenrat von der Anordnung zur Anregung 107 3.3.1 Scientific Motherhood und der Siegeszug der Psychologie 107 3.3.2 Elternratgeber in Deutschland bis 1945 112 3.3.3 Kritik am Szientifismus: Gesell und Spock 116 3.3.4 Psychoanalyse, Bindungstheorie und revolutionäres Bewusstsein 121 3.3.5 Szientifistische Tendenzen der 1970er Jahre 124 3.3.6 Förderung und Elternrat I: Vom Sputnik-Schock zur Bildungsexpansion 127 3.3.7 Förderung und Elternrat II: Das Gehirn des Kindes als Investition 137 3.3.8 Aktuelle Entwicklungen: Von der Förderung zum Emotionsmanagement 148 3.3.9 Reflexive Verwissenschaftlichung von Elternratgebern 152 IV. Zur Rezeption von Elternratgebern 159 1. Methodik und Datenbasis 159 1.1 Erhebungs- und Auswertungsverfahren 159 1.2 Durchführung der Studie 165 2. Elternratgeber im Spannungsfeld von Biografie und Erziehungsalltag 173 Fall 1: "Bewusst Revolution gegen die Familie gemacht" 173 Fall 2: "Eher aufmerksam durchs Leben gehen" 187 Fall 3: "Ein Stück weit besser machen als meine Eltern" 205 Fall 4: Erziehungsratgeber, Geschlecht und Handlungssicherheit 228 Fall 5: "Meine Mama liest nämlich auch immer" 251 Fall 6: "Sie hat einfach ne eigene Persönlichkeit" 270 3. Erziehungsratschläge und Lebenspraxis 282 3.1 "Gefühl" versus Expertise: Ein Rückblick auf Fall 3 283 3.2 Ratgeberaneignung unter Alltagsbedingungen 288 3.2.1 Charakteristika der Rezipientinnen 289 3.2.2 Kindliche Eigenheiten 296 3.2.3 Situative Restriktionen 298 3.2.4 Widersprüchlichkeit der Ratgeber 300 4. Fallvergleich 303 4.1 Entscheidungskrise und Motivlagen: Ratgeber als Sensibilisierungsfolie 303 4.2 Autonomie: Reflexivität und Restriktionen 308 V. Elemente einer Theorie des Elternratgebers 311 Literatur 329 Erziehungsliteratur und Elternratgeber 329 Fachliteratur 337